Nachbericht Rechenzentrum/ Marc Weiser

Marc Weiser - Bild: Patrick Metzger

Mit einem Karamellbonbon verhält es sich folgendermaßen: Das Auspacken bereitet dir bereits durch den markanten Geruch eine erste Vorahnung, aus was du dich beim Verzehr freuen kannst. Ist die Ummantelung noch etwas schwer zu knacken, beißt du sie irgendwann durch und das flüssige Karamell bleibt dir im Mund und an den Zähnen kleben. Jedoch genau das Kleben bleiben der flüssigen Masse ist der Genuss des Bonbons und auch Stunden später erfreut man sich noch an karamellierter Masse, die man unter der Zunge oder hinter dem letzten Zahn findet. Diese Erfahrung wurde endlich auch auf auditiver Ebene wahrnehmbar.


Freitagabend. Bielefeld. Bunker Ulmenwall.

Der Bunker war gut gefüllt, als die letzten Gäste in die Location eintrudelten und sich einen Platz, ob stehend oder sitzend, suchten. Mit leichter Verspätung wurden die diesmal auf der anderen Seite der Halle sitzenden Gäste von dem Kultureinrichtungsleiter Carsten Nolte zu diesem besonderen Abend begrüßt. Stolz wie Oskar kündigte er den Künstler des Abends an: Marc Weiser. Rechenzentrum. Carsten hat Rechenzentrum, damals noch als Berliner Duo, schon zu ihren Anfangszeiten bewundert. Was genau uns und die restlichen Gäste an diesem Abend erwarten würde, war unklar. Marc Weiser verriet nicht viel, nur den Einsatz von Stimme, Gitarre und Elektronik bestätigte er einen Tag zuvor auf einer Plattform.

Ohne große Worte zu seiner Person und seinem Vorhaben bringt Marc Weiser sich in Position. Ein paar elektronische Einstellungen wurden getätigt. Beide Hände hinter den Rücken verschränkt, die Augen geschlossen, fing er an ins Mikrofon zu singen. Keine Sprache, eher Vokalisen die eine Mischung aus gregorianischen Gesängen und indianischen Regengesängen assoziieren lassen. Zusammen mit Hall und Rausch, verschiedenen Wiederholungen, anhaltenden Tönen, singt Weiser sich in Trance. Hin und wieder drückt er Knöpfe, schiebt Regler, klickt am Laptop. Die genauen Einstellungen bleiben uns verborgen. Das ist auch nicht wichtig, denn unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf den Sound, auf die Klangwelt, die Weiser erschafft. Bombastische Bässe dröhnen im Bunker, die Lautstärke steigt, der Beat ist da. Auch der letzte Gast vermag bald seine Augen zu schließen und beginnt sich in den aufgebauten Klangkonstrukten zu verlieren. Denn erst wenn man sich vollends – ja fast schon darin verlaufen hat – dann findet man den Beat. Verschiedene Elektrogebilde finden sich in dem rhythmischen Gehäuse wieder, die sich zu einem sich immer wieder verändernden Sound zusammenfügen. Das Zuhören wird in keiner Minute langweilig, denn Marc Weiser hat den Groove gefunden und lässt seine Gäste daran teilhaben. Er selbst ist in seine Performance so sehr vertieft, dass niemand ihn aus der Ruhe bringen könnte, nicht einmal die vier Fotografen, die ihr Glück bei schlechten Lichtverhältnissen und einem sich wild bewegenden Künstler versuchen. Auch das Auge schläft nicht ein, denn Weiser springt von einem Gerät zum nächsten, verändert Einstellungen und strahlt Begeisterung und ein absolutes Wohlgefallen seiner eigenen Arbeit aus. Man schaut ihm gerne bei der Arbeit zu. Mit dem Einsatz der verstärkten Gitarre erreicht sein Werk den musikalischen Höhepunkt. 

Nach einer kleinen Verschnaufpause tauchte er auf Drängen des Publikums hin erneut in einen neuen Klangraum ein. Die Begeisterung war nicht nur in Carstens Gesicht sondern auch bei den anderen Gästen zu sehen. Dieses Konzert war wahrlich ein Höhepunkt der subkulturellen Musikszene. Dessen sind sich alle Beteiligten bewusst. Eine genaue Rekonstruktion bzw. Definition der Klangräume ist kaum möglich, aber Wohlgefallen und Begeisterung bleiben. Und auch Stunden, sogar Tage nach dem Konzert, wenn man noch einmal die Augen schließt und sich zurück versetzt in den kalten Bunker, da wird man immer noch ein bisschen Karamell hinter dem letzten Zahn oder unter der Zunge finden, welches warm bis durch die Ohren fließt. Und mal ganz ehrlich, wer mag sich da schon noch die Zähne putzen?


Von Lisa Jeske & Johanna Weichard

Marc Weiser_ Bild: Lisa Jeske

vorschau_rechenzentrum

Maas & Brinker – eine Nachbetrachtung

Niemand erklärt uns.

Es klingen

Herz

Muskel

Schwund.

von Jessica Schröter

Wie bei einem echten Rockkonzert fängt heute Abend alles ein bisschen später an, der Bunker ist gut besetzt, die Getränke sind gezapft, alle warten gespannt, auch wir, die wir schon ein bisschen Soundcheck mithören durften. So richtig weiß eigentlich keiner, was da auf uns zukommt, irgendjemand wird was lesen während jemand anderes Musik dazu macht. Performance halt.

Weiterlesen

Do 15. Nov. Maas & Brinker, Play.Repeat.

Lesungs-Performance und Rave.

Bunker Ulmenwall, Kreuzstr. 0, 33602 Bielefeld

AK: 3,-

 

Es liest Marcel Maas aus seinem Debüt Play.Repeat, erschienen 2010 in der FVA (Frankfurter Verlagsanstalt)
Begleitet wird er von dem DJ Philipp Brinker.

Eine Lesungs-Performance wie die Verschiebung der Kaltnacht. Und die Straßen haben sich auf den Rücken gelegt, zum Sterben, zum Nachdenken, Synapsen in deinem Kopf, alle Spuren 26 Stunden gesperrt. Im Rahmen der Performing Pop liest Marcel Maas aus seinem Debüt Play.Repeat. Dazu entlädt Philipp Brinker den Rave atmender Stroboskop-Spasmen. Danach beginnt alles andere.

"Das Buch stenographiert Nachtdialoge, Bewusstseinsströme, Songzitate, betrunkene Wahnsinnsstammeleien. Play.Repeat ist elektrisch. Danger! High Voltage!" (Jan Drees, u.a. 1Live, in Raveline vom 12. Oktober 2010)
Weiterlesen

„BEATBOX – ein Instrument, das man üben muss, wie jedes andere auch“

Clemens Schmuck zu Gast bei Performing Pop in Paderborn

Spätestens mit Künstlern wie Beardy Man ist es keine Spartenmusik mehr oder wird als Randgenre in der Vielfalt der aktuellen Musiklandschaft abgetan. Das Phänomen Beatboxen ist längst in der Popkultur angekommen. Das sich A Cappella Gruppen den Moden und Hypes des letzten Jahres annehmen, zu umgeschriebenen Versionen der letzten Skrillex Titel beatboxen und performen, übt eine solche Faszination unter Musikern und Musikliebhabern aus, dass immer mehr Menschen versuchen, diese vielfältigen Geräusche und Töne, bei welchen man kaum meinen sollte, sie alle mit dem Mund und der Stimme erzeugen zu können und welche sich dann auch noch in der Gesamtheit gut anhören bzw. Hörer tatsächlich einen Titel daraus erkennen vermögen, nachzuahmen. Die Veranstaltungsreihe Performing Pop beschloss daher: her mit den Workshops, Unterrichtsstunden und Coachings im Bereich Beatboxen!

Weiterlesen

Bersarin Quartett – Live-Fotos

Foto: Thomas Weiss/WEISSFOTO-Bielefeld - www.aolc.de

Weiterlesen

Beatbox – Workshop & Konzert

Performing Pop lädt zum Musizieren ein – Instrumente? Stimme & Mund!

Man kennt es mittlerweile von vielen A Cappella Bands, das Schlagzeug mit dem Mund – die Mouth Percussion – das Beatboxing. Aber wie schafft man es, mit seinem eigenen Mund Laute zu erzeugen, die wie ein echtes Schlagzeug klingen?

Wir haben dafür Clemens Schmuck eingeladen – er hat eine satte Basedrum, charakteristische Becken, stimmungsvolle Toms und eine knackige Snare immer mit dabei und das ganz ohne mp3-Player oder Smartphone. Er hat Rhythmus im Kopf und wird das in einem vierstündigen Workshop an Anfänger & Fortgeschrittene weitergeben.

Weiterlesen

Bersarin Quartett

ly-004.indd

Selten herrschte so viel Einigkeit in der Bewertung der neuen Bersarin Quartett Platte „II“ (Denovali) und das in solch unterschiedlichen  Musikmagazinen der Bereiche Jazz, Elektronik bis hin zu Metal. Platte des Monats im Debug Magazin, dazu Lobeshymnen im Sonic Seducer, Intro, usw.  Instrumentale, soundtrackartige Stücke mit geloopten Streicherarrangements, die auf der Bühne mit Elektronik, Live-Schlagzeug und Bass dargeboten werden und an eine Mischung von Pop Ambient, Bohren & Der Club of Gore und Stars of the Lid erinnern aber trotzdem diesen Vergleichen nicht richtig gerecht werden. Das Bersarin Quartett spielt episch, außerirdisch und bevorzugt die dunkle Seite des Mondes.

Weiterlesen

Nachbetrachtung: Hamburg Calling

Hamburg Calling – Eine Liebeserklärung der anderen Art

von Lisa Jeske

Tiefe rote Sessel, Popcorn in der einen Hand, eine kalte Cola in der anderen. Das Licht wird langsam abgedimmt, der große schwere Vorhang öffnet sich und ein Film beginnt. Der Ort? Natürlich… Ein Kino. Doch auch wenn es zuerst so klingen mag, dies wird keine gewöhnliche Filmvorführung werden. Denn als sich am Dienstag, den 19. Juni die Tore des Cineplex Paderborns öffneten, war einiges etwas ungewöhnlicher als sonst. So viele musikinteressierte Menschen und auch Musiker in einem Raum erwartet man sonst eher bei einem Konzert. Und wieso schaut man sich den Film, der gerade mal nicht aus der Traumfabrik Hollywood stammt und auch nicht erst gestern veröffentlicht wurde, nun im Kino an?

Weiterlesen

vorschau_bersarin-quartett